Stuttgart/Paris. Spektakulärer Rückzug in der Formel 1: Als Reaktion auf den «Singapur-Skandal» haben Teamchef Flavio Briatore und sein Chefingenieur Pat Symonds den Rennstall Renault am 16. September mit sofortiger Wirkung verlassen.
Dieser Schritt und eine Pressemitteilung von Renault sind - zumindest indirekt - als Schuldeingeständnis in der Affäre um den Unfall beim Großen Preis von Singapur 2008 zu werten. «Das Renault F1 Team bestreitet die Anschuldigungen der FIA nicht», hieß es in der Erklärung.
Der im Juli entlassene Renault-Pilot Nelson Piquet Jr. wirft Briatore und Symonds vor, ihn 2008 in Singapur zu einem absichtlichen Unfall an einer nur schwer für die Bergungsfahrzeuge zugänglichen Stelle aufgefordert zu haben. Piquet Jr. kollidierte tatsächlich mit der Streckenmauer. Von der anschließenden Safety-Car-Phase profitierte sein Teamkollege Fernando Alonso, der das erste Nachtrennen in der Formel-1-Geschichte gewann.
«Ich bin überrascht über das, was passiert ist. Und ich bin völlig konsterniert, dass sie sich entschieden haben zu gehen», meinte Formel-1-Rechtemitinhaber Bernie Ecclestone über den unerwarteten Abgang Briatores und Symonds. Ecclestone, dem gemeinsam mit Briatore der englische Fußball-Zweitligist Queens Park Rangers gehört, sitzt im FIA-Weltrat, das über das Strafmaß gegen den Rennstall befindet.
Briatore hatte sich lange gegen Piquets Vorwürfe gewehrt. Erst sprach er von «falschen Anschuldigungen» und stellte Strafanzeige gegen seinen ehemaligen Fahrer und dessen Vater. Dann kostete der Skandal dann Briatore selbst den Job. Die italienische «Gazzetta dello Sport» hatte bereits spekuliert, dass er sich in dieser Affäre selbst zum «Sündenbock» machen wolle, um Schaden von seinem Team abzuwenden.
Renault muss am 21. September zu einer Anhörung beim FIA-Weltrat. Im schlimmsten Fall droht dem Rennstall der Ausschluss aus der Formel 1. Sowohl die «Gazzetta» als auch die spanische Zeitung «AS» spekulierten aber bereits, dass das Team ohne Briatore straffrei aus der Affäre herauskommen könnte. Laut «AS» soll der Renault-Konzern der FIA sogar von sich aus angeboten haben, Briatore abzulösen. Das Formel-1-Team erklärte, bis zur Anhörung sich nicht mehr zu diesem Thema äußern zu wollen. Auch von Briatore und Symonds gab es bislang keine Stellungnahmen. Als mögliche neue Teamchefs werden bereits der viermalige Formel-1-Weltmeister Alain Prost und Frédéric Vasseur, Teamchef des GP2-Rennstalls ART Grand Prix, gehandelt. Mit dem ART-Team wurd Nico Hülkenberg 2009 GP2-Champion
Briatore hatte den Rennstall 1988 noch unter dem Namen «Benetton» übernommen. 1994 und 1995 gewann Michael Schumacher unter ihm den WM- Titel, 2005 und 2006 Fernando Alonso. Briatore galt Zeit seines Engagements in der Formel 1 als Entdecker großer Talente. Der 59 Jahre alte Italiener geriet durch Beziehungen mit Models wie Heidi Klum oder Naomi Campbell aber auch immer wieder in die Schlagzeilen der Klatschpresse. Er betreibt unter anderem auch eine Diskothek auf Sardinien.
Durch die Vorwürfe von Nelson Piquet Jr. geriet Briatore in den vergangenen Tagen immer mehr ins Zwielicht. Bei einem Treffen in Briatores Büro habe Chefingenieur Symonds ihm 2008 in Singapur den Plan erklärt, mit einem inszenierten Unfall eine Safety-Car-Phase auszulösen, schrieb der Fahrer in einer Stellungnahme an die FIA. Er habe sich damals von Briatore und Symonds unter Druck gesetzt gefühlt, schrieb Piquet weiter.